Was du über Muskelverletzungen im Sport wissen musst

9.1.2020, Sami Othman

In Kürze

  • Jede dritte Verletzung im Profifußball betrifft den Muskelapparat.
  • Muskelverletzung ist nicht gleich Muskelverletzung: Um die passenden Maßnahmen zu ergreifen und schnell wieder auf dem Platz zu stehen, ist es wichtig zu wissen, um welche Art von Muskelverletzung es sich handelt. 
  • Mit gezielten Übungen kannst du Beschwerden bei Muskelverletzungen lindern und an deinem Comeback arbeiten.

Heute ist dein Tag: Du fühlst dich topfit, freust dich aufs Training. Doch beim ersten Sprint fängt dein Oberschenkelmuskel schlagartig an zu ziehen. Autsch! Der Schmerz ist so stark, dass du die Bewegung abbrechen muss. In dir schrillen die Alarmglocken: Muskelverletzung! Zig Gedanken schießen durch deinen Kopf:

  • Um welche Art von Muskelverletzung handelt es sich?
  • Wie lange muss ich pausieren?
  • Welche Maßnahmen sind jetzt wichtig, um möglichst schnell wieder Sport machen zu können?

Im folgenden Blogbeitrag möchten wir dir Antworten auf deine Fragen geben.

Muskelverletzungen gehören zum Alltag im Fußball

Jede dritte Verletzung im Fußball ist eine Muskelverletzung, sagt die einschlägige Literatur. Bei den meisten Muskelverletzungen liegt kein direktes Trauma vor, das heißt, sie wurden nicht durch einen Schlag oder Stoß verursacht. Im Profifußball fallen pro Team und Saison Spieler für insgesamt 80 Tage aufgrund von Muskelverletzungen am hinteren Oberschenkel – sogenannten Hamstringsverletzungen – aus. Das Verletzungsrisiko im Spiel ist dabei elfmal höher als im Training.

Das sind die Ursachen 

Die Ursachen für Muskelverletzungen sind vielfältig. Häufig arbeiten Spieler („Agonist“) und Gegenspieler („Antagonist“) des Muskels nicht optimal zusammen. Die Folge: Der Muskel versucht, die verminderte Leistung auszugleichen, und verliert dabei seine Elastizität. Wenn du jetzt sprintest oder springst, kann deine Muskulatur die einwirkenden Kräfte nicht optimal verarbeiten. Das macht sich als Schmerz – zum Beispiel im Oberschenkel oder auch im Rücken – bemerkbar.

Diese vier Typen von Muskelverletzungen solltest du kennen

Einer, der sich wie kein anderer mit Muskelverletzungen im Sport auskennt, ist Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Der Orthopäde und Sportmediziner ist langjähriger Mannschaftsarzt des FC Bayern München, betreute über 20 Jahre lang die deutsche Fußballnationalmannschaft und hat zahlreiche Bücher zum Thema veröffentlicht. In seinem Buch Muskelverletzungen im Sport unterscheidet Müller-Wohlfahrt zwischen vier Typen von Muskelverletzungen, die auch dir Orientierung bieten können. Mache jetzt den Test, welche Art der Verletzung auf dich zutrifft.

Typ 1: Muskelläsion und Muskelkater

Variante A

Fühlt sich an wie: Muskelermüdung, Spannungszunahme der Muskelregion, Verhärtung, Druckempfindlichkeit

Ursachen: Überlastung durch zu wenig Regeneration oder nicht gezieltes Training

Was du jetzt tun kannst: Dehnen, gezielte Beweglichkeitsübungen für die betroffenen Muskelregionen. Am besten richtest du dein Training ein bis drei Tage darauf aus, den verspannten Muskel zu lockern. Das Wichtigste: Führ die Übungen nur dann durch, wenn du keine Schmerzen hast!

Variante B

Fühlt sich an wie: Muskelkater. Deine Beine fühlen sich schwer an und du hast Probleme in die Hocke zu gehen oder Treppen hinauf zu steigen. Dabei fühlst du ein leichtes Ziehen in einem Beinmuskel und hast das Gefühl, als ob er komplett unter Spannung steht.

Ursache: vermutlich kleine Verletzungen der Muskelstruktur 

Was du jetzt tun kannst: regenerative Maßnahmen (z. B. Kältebecken), gezielte Beweglichkeitsübungen. Eine komplette Sportpause ist in der Regel nicht notwendig. Bereiten dir die Übungen allerdings Schmerzen, solltest du nicht weiter trainieren. 

Typ 2: Muskelzerrung

Variante A

Fühlt sich an wie: Muskelkater. Dein Oberschenkelmuskel macht ständig schlapp und dir fallen selbst einfache Bewegungen schwer.

Ursache: Überdehnung des Muskels durch plötzliche, starke Belastung (z. B. bei Sprints). Muskelzerrungen treten häufig im Oberschenkel oder in der Wade auf. Dabei bist du besonders vorbelastet, wenn du schon vorher Muskelprobleme hattest. Eine weitere Ursache können Rückenbeschwerden sein. Wenn dir Stabilität in der Rücken- oder Bauchmuskulatur fehlt, verhindern Schmerzen, dass Informationen korrekt weitergeleitet werden. Als Folge spielt deine Muskulatur bei Sprints und Sprüngen nicht optimal zusammen und verliert ihre Elastizität.

Was du jetzt tun kannst: Dehnen, Wärmebehandlungen, Übungen mit der Faszienrolle oder einem Faszienball. Alternativ kannst du auch einen Tennisball nutzen, um langfristige Muskelverletzungen zu verhindern.

Variante B

Fühlt sich an wie: krampfhafter Schmerz in der betroffenen Muskelregion. Mit etwas Fingerspitzengefühl kannst du ertasten, dass dein Muskel verhärtet ist. Dehnübungen bringen keine Besserung.

Ursache: Aufgrund von Überlastung arbeitet auch in diesem Fall deine Muskulatur nicht richtig zusammen und büßt ihre Elastizität ein. Bei weiterer Überlastung kommt es zur Überdehnung deines Muskels. 

Was du jetzt tun kannst (beide Varianten): Keep calm and take a break! Dein Muskel benötigt Zeit, um zu heilen. Du solltest erst ins Mannschaftstraining zurückkehren, wenn du keine Schmerzen hast. Sprich mit deinem Arzt oder Physiotherapeuten über ein individuelles Trainingsprogramm und lerne deinen Körper besser kennen:

  • Wenn du regelmäßig testest, wie schmerzhaft bestimmte Bewegungen sind, kannst du herausfinden, ob die Beschwerden mit der Zeit abnehmen. 
  • Schätze dafür auf einer Skala von 1 bis 10 ein, ob und wie sehr dir Belastungen Probleme bereiten: 0 bedeutet keinen Schmerz, 10 hingegen starke Schmerzen.
  • Der regelmäßige Selbsttest hilft dir einzuschätzen, wie lange dein Muskel für die vollständige Heilung braucht: Wenn dein Schmerz auf einer Skala von 1 bis 3 liegt, kannst du dein Training wieder aufnehmen. In den Wettbewerb solltest du erst einsteigen, wenn du keine Beschwerden mehr hast. 
Typ 3: Bündelriss

Fühlt sich an wie: scharfer, stechender Schmerz, starke Funktionseinschränkungen der betroffenen Region. Die Belastung muss abgebrochen werden. Bei Dehnübungen verstärkt sich der Schmerz. In manchen Fällen kannst du eine Muskellücke ertasten.

Ursache: Beim Bündelriss zerreißt Muskelgewebe nach einer stärkeren Belastung. Der Schweregrad richtet sich nach der Größe der Verletzung. Zur Beurteilung ist eine bildgebende Untersuchung – zum Beispiel mittels Magnetresonanztomographie (MRT) – notwendig.

Was du jetzt tun kannst: einen Arzt aufsuchen. Du brauchst klare Aussagen über deine Muskelverletzung und wann du wieder trainieren kannst. Wie lange du ausfällst, hängt davon ab, wie viele Bündel betroffen sind. Ein einfacher Bündelriss bedeutet in der Regel zwei bis drei Wochen Schonfrist. Lass dir von deinem Physiotherapeuten ein gezieltes Aufbautraining zusammenstellen. Wichtig ist vor allem, dass du deinen Muskel nicht zu schnell belastest und Übungen machst, die den Heilprozess unterstützen.

Typ 4: Muskelriss

Fühlt sich an wie: ein rabenschwarzer Tag – ein deutliches Hämatom und starke Funktionseinschränkungen lassen dich nämlich nicht im Traum an Sport denken. Eine große Muskellücke ist tastbar.  

Ursache: Muskelrisse sind häufig Folge einer früheren Muskelverletzung. Ist diese nicht richtig verheilt und der Muskel wird zu stark belastet, kann es schnell zu einem Ausriss kommen. Das Risiko für Muskelrisse steigt mit zunehmendem Alter. 

Was du jetzt tun kannst: einen Arzt aufsuchen. Ein MRT verschafft Klarheit, ob dein Muskel gerissen ist. Danach solltest du schmerzlindernde Maßnahmen durchführen. Physiotherapie und ein gezieltes Muskelaufbautraining helfen dir, so schnell wie möglich auf den Platz zurückzukehren.

Muskelverletzungen müssen nicht sein

Am besten lässt du es erst gar nicht zu Muskelverletzungen kommen. Und das ist leichter, als du glaubst! In unserer App Lio – Your Football Coach gibt es noch mehr Übungen, um nach Muskelverletzungen fit auf den Fußballplatz zurückzukehren und diese natürlich am besten vorzubeugen.

 

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